Das ‚Cancel Culture‘-Narrativ

authored by
Matthias N. Lorenz
Abstract

Der Beitrag zeigt in einer diskurshistorischen Herleitung auf, wie das ‚Cancel Culture‘-Narrativ als Wiederauflage der Debatte um ‚Political Correctness‘ aus den 1990er Jahren unter den veränderten Medienbedingungen der Gegenwart fungiert. Beide Begriffe erfüllen eine stigmatisierende Funktion in Kontroversen um gesellschaftliche Ungleichheit in westlichen demokratischen Gesellschaften. Die eng an sie geknüpfte Zensurpolemik wird eingesetzt, um minoritäre und progressive Stimmen in den Kulturkämpfen multikultureller Gesellschaften zu delegitimieren, erscheint jedoch aufgrund der der ‚Cancel Culture‘ geziehenen aufmerksamkeitsgenerierenden aktivistischen Praktiken kaum haltbar. ‚Cancel Culture‘ erweist sich vielmehr als ein Narrativ, das Ausdruck krisenhaft erlebter Anpassungsschwierigkeiten tendenziell bessergestellter weißer, älterer und zumeist männlicher Sprecher:innen an die Diversifizierung von Gesellschaft und
Medien in einem Zeitalter der Migration und Digitalisierung ist.

Organisation(s)
German Department
Type
Entry in reference work
Pages
545-564
Publication date
2024
Publication status
Published
Electronic version(s)
https://doi.org/10.5771/9783748930037 (Access: Closed)